Ein hagerer und stolzer Mann – auf diesen beiden Adjektive scheint auf den ersten Blick der Begriff Hagestolz zurückzugehen. Dazu würde auch das gleichnamige Gemälde von Carl Spitzweg als Beitragsbild hier passen. Doch weit gefehlt …
Ursprung von Hagestolz ist das althochdeutsche Hagestalt, was einen Hagbesitzer bezeichnete. In früheren Zeiten also den männlichen Eigentümer eines umfriedeten, mit Hecken und Büschen eingezäunten Landstücks, das zu klein war, um aus dessen Ertrag eine Familie ernähren zu können. Oftmals war es der jüngere Bauernsohn, da der älteste den elterlichen Hof erhielt.
Da ein Hagestolz somit keinen eigenen Hausstand gründen konnte, blieb er ein unverheirateter Junggeselle. Entsprechend ist der etwas aus der Mode gekommene, leicht spöttiche Begriff Hagestolz ein Synonym für einen, im heutigen Sprachgebrauch, eingefleischten Single.
Im 1808 erschienenen Meisterwerk „Faust – der Tragödie erster Teil“ des Dichters Johann Wolfgang von Goethe spricht Mephistopheles zu Marthe über sein unstetes Dasein als ewig Reisender. Worauf sie ihm antwortet: „In raschen Jahren geht’s wohl an, so um und um frei durch die Welt zu streifen; doch kommt die böse Zeit heran, und sich als Hagestolz allein zum Grab’ zu schleifen, das hat noch keinem wohl getan.“
Dieser Beitrag von mir erschien in ähnlicher Form erstmals im Staatsanzeiger für Baden-Württemberg am 23. Juli 2021 auf Seite 8 unter „Landeskundliche Momente“.